Land der Drachenfamilien

Vor dem Treptower Tor am westlichen Ende der mittelalterlichen Stadt steht nur wenige Minuten entfernt an der Ecke Rostocker Straße / Am St. Georg die Spitalkirche aus dem 15. Jahrhundert. Es war ein Armenhaus, das vom naheliegenden Kloster Broda seelsorgerisch betreut wurde. Mit der Reformation ging die Kirche als Eigentum an die Stadt. Eine Reliefplastik des Heiligen Georgs als Drachentöter aus dieser Kirche wird heute im Museum der Stadt aufbewahrt.

Viel zugetraut hat sich der Sage nach der Ritter Georg. Die sagenhafte Heiligenverehrung des Georg, nachdem mit Georgien sogar ein ganz Land benannt wurde, hat in Neubrandenburg sehr lokale und weltliche Züge.

Um Neubrandenburg herum sollen ganze Lindwurmfamilien gehaust haben. Sie terrorisierten die Bevölkerung. Als einst ein Bauer bis ans Treptower Tor von einem Lindwurm (flügelloser oder stummelflügeliger Drache) verfolgt wurde, kam Ritter Georg herausgeritten und erschlug mit seinem Schwert das Untier. Ihm zu Ehren wurde die St. Georgskapelle errichtet.

Vielleicht mag mit diesem Ereignis das Interesse der Neubrandenburger an dem Lindwurm aus Tützpatz zusammenhängen, den sie sich ausgestopft in die Stadt geholt haben sollen.

Anmerkung zur Sagenüberschrift: Im hier zitierten Sagenbuch von Hartmut Schmied wird bei dieser Sage von „Lindwurmfamilien“ gesprochen. Im Zusammenhang mit dem Heiligen Georg ist immer von einem Drachen die Rede. Teils wurden gerade vor Jahrhunderten die Begriffe Drachen und Lindwürmer synonym verwendet. Meist geht man davon aus, dass Drachen fliegen können, Lindwürmer jedoch (wie alle Würmer) eher nicht. Lindwürmer werden oft mit Stummelflügeln dargestellt, die ihnen das Fliegen nicht ermöglichen können.

 Tipp vom Legenden-Forscher Dr. Hartmut Schmied zur Unterscheidung von Drachen und Lindwürmern: Sollte man ein solches Tier beispielsweise durch ein Korn-Feld laufen sehen, dann klatscht man laut in die Hände. Fliegt es weg, ist es ein Drache. Läuft es weiter, dürfte es ein Lindwurm sein.