Rostock - Die Rostocker Aalschlange am Rathaus

Rostock, Mecklenburg-Vorpommern

Die ewig „Trinkende“ – eine verwunschene Prinzessin? (Ein Projekt des Legenden-Museums)

Weshalb die bronzene Brunnen-Schönheit gerade den Standort an den Rostocker Wallanlagen bezog, blieb bislang im Dunkeln. Bei der Wahl des Platzes im Grünen mag vor Jahrzehnten die Wassernähe eine Rolle gespielt haben. Damals war die Legende um das nur wenige Hundert Meter Wasserstrecke entfernte, in der Teufelskuhle untergegangene, verwunschene Schloss noch sehr bekannt. Schloss – Prinzessin – Wasserlauf sind da reale Assoziationen.

„Jährlich einmal“, heißt es bei Albert Niederhöffer (Mecklenburgische Volks-Sagen, Leipzig 1859), „lässt sich auf dem Wasser (der Teufelskuhle) eine silberne Schüssel sehen und soll dies in der Mittagsstunde des Johannis“, also am 24. Juni, geschehen. Dabei handele es sich um Geschirr aus dem alten Schloss. Solche seltenen Zeichen sind dazu gedacht, eine Verwünschung rückgängig zu machen.

Von dem Wasser der Teufelskuhle erzählt man weiterhin „dass es unergründlich sei, mit der Ostsee in unmittelbarer Verbindung stehe und nie an Menge abnehme“. Die „Trinkende“ scheint demnach analog dazu verdammt, ewig aus einer Schüssel zu trinken, deren Wassermenge ebenfalls ständig konstant bleibt. Erlöst werden kann die „Prinzessin“ nur zu Johannis. Wie – darüber schweigen die Quellen. Der Fluch ist leider nicht überliefert.

Eine neues „Leben“ hat die bekannte Brunnenfigur im Jahre 1994 bekommen. Seit 1922 steht die „Trinkende“ am östlichen Wall-Ende. Die vom Berliner Künstler Professor Seifert geschaffene Plastik wurde von einem Rostocker gespendet, der ungenannt bleiben wollte. Im Jahre 1993 wurde die Figur gestohlen.

Von September 1993 bis Juni 1994 blieb der Sockel am Brunnen nach dem Diebstahl leer. Zum Glück gab es noch eine ältere Form von der „Trinkenden“, ein Neuguss war dadurch möglich. Die Bronzebildgießerei Karsten Lachmann aus Buchholz nahm sich der Aufgabe an. Das Geld dafür stellte als Sponsor die Rostocker Volksbank (heute: Rostocker Volks- und Raiffeisenbank) bereit. Die Organisation des Projektes lag in den Händen des jetzigen Legenden-Museums (Hartmut Schmied).

Zeitpunkt der „Wiedergeburt“ und Übergabe als Geschenk durch die Bank an die Stadt war der 776. Geburtstag von Rostock – zu Johannis 1994 um die Mittagsstunde. Seit Jahrzehnten wurde die „Trinkende“ jährlich im Herbst demontiert. Tatsächlich jedes Jahr? Gesucht werden Zeitzeugen, die dazu Aussagen machen können. Wo gibt es ähnliche Brunnenfiguren? Wer kennt Flüche, die auf untergegangene Schlösser gelegt wurden?

Text: Hartmut Schmied für das Legenden-Museum (1999); Bild: Trinkende an den Wallanlagen beim Rosengarten in Rostock, Foto: Hartmut Schmied