Ankershagen, Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, Mecklenburg-Vorpommern

Etwas südlich der Luftlinie Waren – Neubrandenburg liegt fast mit-tig das Dorf Ankershagen, das der Altertumsforscher Heinrich Schliemann (1822 – 1890) nahezu weltberühmt gemacht hat. Man erreicht es über die Bundesstraße 192 ab Abzweig Penzlin nach wenigen Kilometern in Richtung Südwesten. Hier verbrachte der im mecklenburgischen Neubukow geborene Pfarrerssohn seit dem zweiten Lebensjahr acht Jahre seiner Jugend. Das Pfarrhaus, in dem er aufwuchs, steht gegenüber der Kirche und ist seit 1980 Heinrich-Schliemann-Museum.

Als Sechzigjähriger erinnerte sich Schliemann in seiner Autobiographie an das „Geheimnisvolle und Wunderbare“ in Ankershagen. Der Archäologe unterstützte seine eigene Legendenbildung und stellte eine Verbindung zwischen den heimischen Sagen um Ankershagen und den griechischen Mythen Homers her. Angeregt durch die mecklenburgischen Sagen soll er hier im Elternhaus als Achtjähriger den Wunsch zur Ausgrabung von Troja geäußert haben.

Tatsächlich ist diese Gegend besonders reich an Sagen und der auf- geweckte Junge mag von den Abenteuern des Raubritters, der goldenen Wiege, dem Schatz in der Kirche, unterirdischen Gängen, dem Teich Silberschälchen und von der Entstehung seines Heimatdorfes zum Forscherdrang angeregt worden sein.

Die Entstehung des Namens von Ankershagen ist ein Gleichnis: Ein Schiffer von einem nahegelegenen See hatte wegen großer Armut seine Seele an den Teufel verkauft, worauf es ihm zunächst besser ging. Um den Vertrag einzulösen, trug der Teufel den Schiffer bei einem Sturm weit ins Land hinein. Der Seemann betete in seiner Angst und warf den Anker aus. Er fand Halt in der Kirche, genauer am Kirchendach. Als Dankeschön für die Rettung wurde das Dorf Ankershagen genannt und das Bild eines Ankers an der Türinnenseite angebracht. Wahrscheinlicher ist aber die Ortsgründung durch einen Mann mit ähnlichem Namen.

Das Ensemble des Pfarrhauses mit Garten und der Dorfkirche lässt die Welt des jungen Schliemann besser verstehen. In der frühgotischen Feldsteinkirche finden sich Wandmalereien vom Teufel und dem Drachentöter sowie ein einst geheimer Turmgang. Von diesen Dingen wird der Junge beeindruckt gewesen sein. Auf dem Friedhof steht noch das eiserne Grabkreuz seiner Mutter Luise, die im 38. Lebensjahr starb. Dieses Kreuz hatte Schliemann vom fernen Petersburg aus in Auftrag gegeben.

Schliemann erzählte auch die bekannte Sage vom Ritter Henning Bradenkierl: Henning von Holstein war ein grausamer Raubritter, der in der Burg von Ankershagen seinen Wohnsitz hatte. Als er einen Überfall auf den mecklenburgischen Herzog plante, wurde dieser durch die Warnung eines Kuhhirten vereitelt. Der Ritter nahm grausame Rache an dem Verräter und warf ihn ins Kaminfeuer. Als der Kuhhirte um sein Leben kämpfte und aus den Flammen heraus wollte, stieß ihn der Raubritter mit dem Fuß zurück. Das soll ihm den Namen „Bradenkierl“ (Bratenkerl) zugetragen haben. Nicht lange darauf wurde Henning Bradenkierl vom Herzog getötet, aber die Seele des Toten fand keine Ruhe. Immer wieder soll der Fuß des toten Raubritters bis zum Knie aus der Erde herausgewachsen sein, bis man schließlich das abgeschnittene Bein in der Kirche unter dem Altar bestattete.

Jungfräuliches Silberschälchen

Als Einleitung zu seiner Autobiographie aus dem Jahre 1892 schrieb der Forscher über Ankershagen: „In unserem Gartenhause sollte der Geist von meines Vaters Vorgänger, dem Pastor von Russdorf, ´umgehen´ und dicht hinter unserm Garten befand sich ein kleiner Teich, das sogenannte ´Silberschälchen´, dem um Mitternacht eine gespenstische Jungfrau, die eine silberne Schale trug, entsteigen sollte.“ Bei Mondschein und nur zu Johannis (24. Juni) auch am Tage sollte die geheimnisvolle Frau erscheinen. Und da der Teich noch zu sehen ist, darf man weiter hoffen. Die Aufzählungen von den geliebten Sagen um Ankershagen bei Heinrich Schliemann haben bis heute für ihren Erhalt und ihre Verbreitung gesorgt.

Text aus: Hartmut Schmied, Geister, Götter, Teufelssteine. Sagen- & Legendenführer Mecklenburg-Vorpommern, 4. Auflage, Rostock 2022, Seite 10-13

Bild: Das „Silberschälchen“, das der kleine Heinrich Schliemann von seinem Kinderzimmerfenster aus sehen konnte, Foto: Hartmut Schmied