Bad Sülze, Landkreis Vorpommern-Rügen

Gott soll die Erde in sechs Tagen erschaffen haben. Und so konnte er am siebenten Tag – dem Sonntag – ausruhen. So steht es in der Bibel im 1. Buch Mose. Auch Mecklenburg soll so entstanden sein. Zuerst wurde es Tag und Nacht. Am zweiten Tag erschuf Gott den Himmel. Am dritten Tag wurden Land und Wasser getrennt und die Seen und Flüsse angelegt.

Jedoch geriet Gott am dritten Tag ganz schön in Zeitnot. Mit der Erschaffung von Seen und Flüssen fing er im Westen Mecklenburgs an. Bei der Elbe ließ er sich noch Zeit – sie wurde groß und mächtig. Die Elde und die Warnow waren schon kleiner und als er im Osten Mecklenburgs ankam, war es schon abends.

Hier sollte der Fluss Recknitz entstehen – als Grenze zum Nachbarland Pommern. In seiner Not wandte sich Gott an den Teufel: „Komm Kleiner, hilf mir, schnell einen schönen Fluss anzulegen.“ Der antwortete: „Du nervst! Aber ich kümmere mich darum, damit du mich in Ruhe lässt!“ Allerdings war der Teufel zu faul und spannte seine gutmütige Großmutter wie einen Ochsen vor den Pflug.

Sie sollte eine große Furche ziehen und so das Flussbett anlegen. Doch es war Sommer und heiß. Die Alte schwitzte. Fliegen, Bremsen und die abendlichen Stechmücken setzten sich auf sie. „Herrje, ist das ein Teufelspack!“ schrie sie und ruderte wild mit den Armen. Mal schlug sie auf den linken Arm, mal auf denrechten. Mal auf die Beine, mal auf ihren Po.

Bei dem Gezappel wurde die Recknitz ganz schief und krumm. Und auch nicht sonderlich breit. Am Ende war die Alte total sauer. Wütend biss sie mehrfach ins frisch entstandene Schilf und rief zu ihrem Enkel: „Soll dich der Teufel holen!“ Noch heute sieht man braune Stellen auf den Schilfblättern von ihren Zähnen, und die Recknitz liegt gebogen da wie eine riesige Schlange.

Schon gewusst?

Diese Sage war lange nicht zu verstehen, da vor vielen Jahren die Recknitz begradigt wurde, um die umliegenden Felder leichter zu entwässern. Weil dies der Natur nicht guttat, stellte man den alten Zustand wieder her und verlängerte die Recknitz dadurch. Nun ist endlich wieder klar, wie sehr Teufels Großmutterdamals schuftete. Gott sei Dank!

Kannst du Platt?

Worüm de Recknitz scheef un krumm is

Gott sall de Ierd in sös Daach farrig stellt hebben. Un so könnt he an‘n söbten Dach – denn Sünndach – utrauhen. So steiht dat schräben in‘n 1. Bauk Mose in de Bibel. Ok Mäkelborg sall so entstahn sin. Tauierst wür dat Dach un Nacht. An‘n tweiten Dach bewarkstelligte Gott denn Himmel. An‘n drüten Dach würd Land un Water uteinanner hollen un Seen un Bäk anlecht.

Äwer an‘n drüten Dach käm Gott in de Bredulch mit de Tiet. Mit dat Bugen von Seen un Bäks füng he in Westen von Mäkelborg an. Bi de Elb‘ hett he sik noch Tiet laten – se wur grot un mächtig. De Elde un de Warnow wieren schon lütter un as he in‘n Osten von Mäkelborg ankäm, wier dat all spät an‘n Abend.

Hier süll de Bäk Recknitz hen – as Scheid tau de Nawerschaft Pommern. In sien Not rep Gott denn Düwel an: „Kam Lütter, help mi, fix ’n schmucke Bäk to graben.“ Dorup de: „Du makst mi narsch! Äwer ik dau mi üm, dormit du mi in Rauh löttst.“ Allerdängens wier de Düwel tau ful un spannte sien‘ gautmäudig Größing as een Ossen vör denn Plauch.

Se sall ’n grote For trecken un so dat Bett von de Recknitz anleggen. Doch dat wier Sommer un heit. De Oll schweit. Fleigen, Blinn‘fleech un de St.kmüggen setten ehr tau. „Herrje, is dat een Düwelspack!“, schriechte se un slög wild mit de Arms. Mal slög se up den linken Arm, mal up den rechten. Mal up de Been, mal up ehren Noors.

Bi de Spaddeli wur de Recknitz ganz scheef un krumm. Un ok nich orrig breet. Spät an‘n Abend wier de Oll bannig suer. Grannig beet se alle näslang in dat nieg‘ wossen Reet un reep tau ehr Enkel: „Sall di de Düwel halen!“ Noch hüt süht man brune Stell‘n up de Reetbläder von ehr Tähnen, un de Recknitz is bagen as ’n grote Schlang‘.

All wüsst?

Disse Verteller wier lang nich tau verstahn, da vör väle Johren de Recknitz grad makt wur, üm de Feller ringsüm bäder drög tau hollen. Wiel de Natur dorbi läden hett, is de olle Taustand wedder herstellt worn un makte dadörch de Recknitz länger. Nu is an‘n End wedder klor, wieans Düwels Größing dunnemals schuft hett. Gott sei Dank!

Übersetzung ins Plattdeutsche: Thomas Cardinal von Widdern, Plattdütsch-Verein „Klönsnack-Rostocker 7“ e. V.

Mehr Informationen zur Recknitz-Sage

Bild: Sage von der Entstehung der Recknitz, Illustration von Andrea Sommerfeld; Text: Hartmut Schmied, aus: Hartmut Schmied, Riesen, Zwerge, Fabeltiere. Sagen aus Mecklenburg für Kinder, Wismar 2020, Seite 50 bis 53