Parchim, Landkreis Ludwigslust-Parchim

(Vorlesetext für Vorschulkinder, 5 bis 7 Jahre)

Es ist schon lange her, da lebte bei der Stadt Parchim in einem finsteren Wald eine Räuberbande. Ihr Hauptmann hieß Vieting. Sie versteckten sich alle auf dem Sonnenberg, wo sie ihre Höhle hatten. Niemand konnte sie dort finden.

Die Leute, die durch den Wald gingen, wurden überfallen und ausgeraubt. Dazu hatten die Räuber eine Schnur über den Weg gelegt und unter Moos versteckt. Am Ende der Schnur war ein Glöckchen befestigt. Ging oder fuhr jemand den Weg entlang, dann ertönte in der Räuberhöhle das Glöckchen. Die Räuber liefen dann mit Pistolen und Messern zum Weg und nahmen den Menschen ihr Essen, Geld und Schmuck ab.

Die Parchimer wussten sich nicht mehr zu helfen. Immer wieder verschwanden die Räuber und versteckten sich im dunklen Wald. Da kam eines Tages ein hübsches Mädchen des Weges. Die Räuber wollten es ausrauben. Doch dem Räuberhauptmann Vieting gefiel die schöne Hanna und so nahm er sie mit in die Höhle. Dort kochte sie für die Räuber und nähte ihre Sachen. Hanna hatte große Angst, denn die Räuber überfielen weiter Menschen und brachten sie auch um.

Das Mädchen war nun schon zwei Jahre bei den Räubern und wollte unbedingt nach Hause. Als die Räuber nichts mehr zu essen hatten, wollte Hanna in der Stadt einkaufen gehen. „Bring mir ein paar Schweineschnitzel mit!“ forderte einer. „Vergiss nicht den Wein für mich!“ sagte ein anderer. Und der Bösewicht Vieting rief: „Und dann noch Erbsen für eine tolle Suppe!“

Doch sie durfte niemandem von dem Versteck erzählen. Wenn sie das täte, würden die Räuber sie umbringen. Sie schwor, es keinem Menschen zu sagen. Ängstlich nahm sie einen Korb und ging in die Stadt zum Einkauf. Fleisch, Wein und Erbsen waren bald im Korb. So ging sie wieder zurück – vorbei an der Wache am Stadttor.

Mit den Menschen sollte sie ja nicht reden. Und so sprach sie leise zum Schlagbaum am Tor: „Lieber Schlagbaum. Räuber Vieting hält mich gefangen. Befreie mich. Und folge den Erbsen!“ Wie von Hanna erhofft, hatte ein Soldat das gehört. Er rief gleich andere Stadtsoldaten hinzu und sie folgten heimlich der Erbsenspur.

Hanna warf weiter viele Erbsen auf den Weg und so fanden die Soldaten das Versteck der Räuber. Die Räuberband wurde gefangen und ins Gefängnis gesteckt. Hanna aber konnte zu ihren Eltern zurück. Und alle waren froh, dass es keine Räuber mehr bei Parchim gab. Da gab es reichlich Geschenke als Dankeschön und Hanna konnte ein gutes Leben führen.

Schon gewusst?

Auf dem Sonnenberg wurde in einer Vertiefung eine Räuberhütte nachgebaut. Wer mutig ist, kann sich dort hinbegeben. Aber aufgepasst. Tretet nicht auf eine Schnur! Man weiß ja nie.

Eine neu (2009) in plattdeutscher und hochdeutscher Sprache erzählte Version der Sage vom Räuber Vieting findet sich unten stehend. Sprecher ist Dr. Karl-Heinz Junghans von der GWA. Diese Version zählt zu den Aktivitäten der Gesellschaft zur Förderung des Wossidlo-Archivs (GWA).

Text: Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Mecklenburg, aus: Hartmut Schmied, Riesen, Zwerge, Fabeltiere. Sagen aus Mecklenburg für Kinder, Schwerin 2020

Bild: Räuber Vieting als Holzplastik auf dem Sonnenberg im Wald bei Parchim, Foto: Hartmut Schmied